Für die ukrainische Dramatikerin und Regisseurin Anastasiia Kosodii ist die derzeit entscheidendste Frage: (Wie) Kann man während des Krieges schreiben? „Psycholog*innen sagen, dass zu Kriegszeiten das Syndrom des aufgeschobenen Lebens verbreitet ist. Der Mensch schaltet alles auf Pause, sagt sich: Wir müssen den Sieg abwarten, danach geht das alles. [...] Worte, außer denen der Nachrichten, werden auch aufgeschoben. Nicht, weil wir sie nicht artikulieren wollten. Der Sinn der Worte verdirbt einfach zu schnell, schneller als Milch. [...] Ich denke, es wäre gut, etwas schreiben zu können, das den Sieg der Ukraine beschleunigt. Ich denke, es wäre gut, wenn in dem Moment, wo Sie diese Zeilen lesen, keine Raketen auf Kyjiw, Saporischschja, Charkiw, Lwiw, Sjewjerodonezk, Kramatorsk, Cherson, Krywyj Rih, Winnyzja, Poltawa, Dnipro, Orichiw, Huljajpole und all die anderen Städte und Städtchen meines Landes fallen würden. Und dann denke ich noch: Wie werde ich schreiben, wenn der Krieg zu Ende ist. Jetzt darüber jetzt nachzudenken ist zu früh. Ich weiß es nicht.“
Anastasiia Kosodii begann ihre Karriere als Mitbegründerin des Theaters »Zaporizka nova drama« in ihrer ukrainischen Heimatstadt Saporischschja. Von 2014 bis 2016 gelangten einige ihrer Stücke, darunter »Bring mir aus Lwiw mit, was es in Saporischschja nicht gibt«, auf die Shortlist des Festivals »Week of Modern Plays« in Kyjiw. 2019 wurde sie leitende Dramatikerin des PostPlay Theaters in Kyjiw. 2020 schrieb Anastasiia Kosodii das Stück »Was ist jüdische Musik« über ukrainischen Antisemitismus und führte selbst Regie. Sie organisierte 2022 die Lesereihe »Vom Krieg – Ukrainische Dramatiker*innen erzählen vom Leben während der Invasion durch Russland« unter Beteiligung zahlreicher Theater: Royal Court Theatre London, Münchner Kammerspiele, Gorki Theater Berlin, Nationaltheater Mannheim, Schauspielhaus Wien, Staatstheater Hannover, Theater und Orchester Heidelberg. Im Herbst 2022 begann ihre Tätigkeit als Hausautorin am Nationaltheater Mannheim. Derzeit lebt sie in Deutschland.
Im Lutz Hagen stellt sie am 12. Juni ihre Arbeiten als Dramatikerin und Regisseurin in den Zeiten des Krieges von 2014 bis jetzt vor.
Kooperation der Veranstaltergemeinschaft „buchhaltung. zugehört und hingesehen“ (AllerWeltHaus Hagen e.V., Integrationsagenturen der Caritas Hagen und der Diakonie Mark-Ruhr, Jugendring Hagen e.V., Kommunales Integrationszentrum der Stadt Hagen, Stadtbücherei Hagen) und des Lutz Hagen.
Anastasiia Kosodiis Lesung findet im Rahmen des Projekts "Austausch zwischen der deutschen und ukrainischen Buch- und Literaturbranche" statt, das von der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert und vom Goethe-Institut, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Ukrainischen Buchinstitut durchgeführt wird. Die Lesereihe „buchhaltung. zugehört und hingesehen“ wird vom Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ gefördert.