Geld allein nützt nichts, wenn das Personal fehlt
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung stößt bei Verantwortlichen des Offenen Ganztags vor Ort auf Skepsis bezüglich der Umsetzung
Paderborn, 14.09.2021 (cpd) – Gleichsam als letzte Amtshandlung hat die alte Bundesregierung das Ganztagsförderungsgesetz beschlossen. Ziel ist die Einführung des Rechtsanspruchs für alle Schulkinder der Klassenstufen 1 bis 4 ab dem Schuljahr 2026/27. Der Bund beteiligt sich finanziell an der Einrichtung neuer Plätze in den Ganztagsangeboten, fördert den Erhalt bereits bestehender Plätze und erhöht seinen Anteil an den Investitionskosten. Als Träger von Angeboten der Offenen Ganztagsschule in NRW (OGS) begrüßt die verbandliche Caritas im Erzbistum Paderborn das neue Gesetz: Von dem Rechtsanspruch werden gerade Kinder profitieren, die sonst kaum Chancen auf Förderung haben, etwa in sozialen Brennpunkten. „Wir nehmen aktuell schon jetzt viele Kinder aus sozialpädagogischen Gründen auf und können zukünftig noch mehr Kindern ein gesichertes Umfeld, Versorgung und Förderung der persönlichen Interessen bieten“, sagt beispielsweise Manuela Petrusch, OGS-Koordinatorin beim Caritasverband Dortmund.
Doch insgesamt überwiegen vor Ort Skepsis und Kritik. Denn mit einem Mehr an Plätzen sei es nach Ansicht der OGS-Verantwortlichen nicht getan. „Wir machen uns Sorgen, inwieweit es am Ende tatsächlich gelingt, Quantität und Qualität gemeinsam zu entwickeln. Ganztagsbetreuung muss sich auch durch entsprechende Qualitätsstandards auszeichnen, um die Ziele der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder erreichen zu können“, betonen Julia Schröder und Elisabeth Waskönig vom Caritasverband Hagen
Entscheidender Knackpunkt: Für ein anspruchsvolles Angebot fehlt schon jetzt das Personal. „Aktuell ist dieses Arbeitsfeld eher uninteressant, vor allem für junge Leute. Der fehlende Stellenschlüssel, die schlechte Bezahlung und die Tatsache, dass keine Vollzeitstellen zur Verfügung gestellt werden, machen das Arbeiten in der OGS nicht attraktiv“, so Manuela Petrusch. Aktuell entwickele sich die OGS wieder zurück. Kinder würden betreut und aufbewahrt. „Mit Bildung und pädagogischer Arbeit hat das nichts mehr zu tun, es ist schlichtweg zu wenig Personal vor Ort.“ Mehr Kinder in der OGS, aufgenommen aufgrund eines Rechtsanspruchs, würde es nicht besser machen.
Auch Esther Voigt, OGS-Koordinatorin beim Caritasverband Meschede, sieht dies ähnlich: „Selbst wenn Gelder bereit stehen, man sieht dies im Moment am OGS-Helferprogramm, nützen einem diese nichts, wenn die Arbeitsbedingungen, beispielweise Arbeitszeiten über die Mittagszeit und nur wenige Stunden in der Woche, so unattraktiv sind, dass man kein geeignetes Personal findet, von Fachpersonal ganz zu schweigen.“ Dagmar Gülde vom Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM) in Menden kann sich nicht vorstellen, wie man den Personalmangel bis 2026 beheben will. „Ich befürchte sogar, dass bis dahin manche OGS-Angebote schließen müssen oder vielleicht nur noch mit ungelernten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt werden können.“
Ob der Rechtsanspruch tatsächlich mehr Qualität in die OGS bringen kann, wird vor Ort ebenfalls bezweifelt: Leider sei auch im neuen Gesetz wieder nur von „Betreuung“ die Rede. „Das ist vom Anspruch her das niedrigste Level“, findet Christoph Gehrmann, Leiter der Abteilung Jugendhilfe und Soziale Dienste beim Caritasverband Dortmund. Es müsse um den Dreiklang „Bildung, Erziehung, Betreuung“ gehen. „Wichtig ist dabei, dass Bildung und Lernen auch außerhalb eines unterrichtlichen Settings stattfindet und genauso wichtig ist wie das schulische Lernen.“ Für ein außerschulisches Setting sind allein schon die räumlichen Gegebenheiten vielerorts nicht geeignet. Stefan Wittrahm, Gesamtleiter Kinder-, Jugend- und Familienhilfe bei der St. Elisabeth Stiftung in Detmold: „Sollte sich die Zahl der Kinder im Bereich OGS erheblich erhöhen, sehen wir zurzeit große Probleme, ein passendes Angebot zu machen.“
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